Warum sich Urlaubsentscheidungen grundlegend wandeln

In der neuen Folge von „Next Stop: Future“ sprechen wir über Urlaub in Krisenzeiten: Wie beeinflussen Klimawandel, wirtschaftliche Entwicklungen und politische Instabilitäten unser Reiseverhalten?

Der Sommer ist da – zumindest wettertechnisch – und damit auch die große Ferienzeit. Für viele ist der Urlaub nach wie vor heilig. Doch die Rahmenbedingungen verändern sich rasant: Klimakrise, wirtschaftliche Unsicherheiten und geopolitische Konflikte beeinflussen zunehmend, wie, wohin und ob überhaupt gereist wird. Gemeinsam werfen wir, Anja Kirig und Catharina Fischer, einen Blick auf drei zentrale Entwicklungen im Tourismus: Coolcation, Staycation und politisch motivierte Reiseboykotte.

Coolcation – Wenn der Norden lockt

Der Klimawandel ist längst kein abstraktes Zukunftsszenario mehr – er ist real, messbar und beeinflusst bereits unser Reiseverhalten. “Coolcation” – ein Kofferwort aus cool und vacation – beschreibt einen neuen Trend: Statt Sonne im Süden suchen viele Reisende jetzt gezielt mildere, kühlere Regionen auf.

Die Zahlen zeigen: Schweden (+11 %), Norwegen (+22 %) oder auch Estland verzeichnen einen spürbaren Anstieg an Buchungen. 76 % der europäischen Reisenden passen laut European Travel Commission ihre Reisepläne bereits dem Klima an. 33 % meiden gezielt Regionen mit extremen Wetterbedingungen.

Doch so klar der Trend scheint – ein vollständiger Shift weg vom Mittelmeer ist nicht in Sicht. Spanien, Portugal & Co. bleiben trotz aller Herausforderungen weiter gefragt – nicht zuletzt, weil dort die touristische Infrastruktur einfach etabliert ist. Der Wandel vollzieht sich langsam und vielschichtig. Auch weil gerade Familien mit Kindern oder kleinere Budgets nicht immer die Wahl haben.

Staycation: Urlaub vor der Haustür

Staycation hat sich vom pandemiebedingten Notfallplan zu einer ernstzunehmenden Alternative etabliert – sei es aus finanziellen, klimatischen oder logistischen Gründen.

Laut dem Behavior Change Report 2025 plant rund ein Drittel der Deutschen den Urlaub im eigenen Land. Auch günstige Ziele wie Bulgarien oder Tunesien gewinnen an Beliebtheit. Gleichzeitig planen 32 % der Befragten gar keinen großen Urlaub mehr – ein spürbarer Anstieg gegenüber 2022.

Der Inlandstourismus profitiert, aber auch hier gibt es Herausforderungen: Nicht alle Regionen sind touristisch gut erschlossen oder vorbereitet. Zudem bleibt der Urlaub auch eine Frage des Einkommens – mit soliden Gehalt wird weiterhin großzügig gereist, während andere Gruppen notgedrungen zuhause bleiben. 

Politische Krisen: Reiseboykott und moralische Dilemmata

Auch die politischen Rahmenbedingungen spielen eine immer größere Rolle bei Reiseentscheidungen. 40 Prozent der Deutschen beziehen politische Entwicklungen in ihre Reiseplanung ein – sei es aus Sicherheitsbedenken oder moralischer Überzeugung. Der geplante oder tatsächliche Wahlsieg bestimmter Politiker, Menschenrechtsfragen oder gesellschaftspolitische Entwicklungen können ein Ausschlusskriterium für bestimmte Destinationen sein.

Zunehmend zeigen sich ethische Haltungen beim Reisen, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Die Frage: Wohin kann ich guten Gewissens reisen? wird so zur Chance für Destinationen mit offenen, nachhaltigen und stabilen Gesellschaften.

Wohin geht die Reise?

Die drei diskutierten Krisen – Klima, Wirtschaft und Politik – sind reale Einflussfaktoren, die das touristische Verhalten spürbar verändern. Und sie eröffnen Raum für neue Denk- und Angebotsmodelle: Regionen, die bisher eher im Schatten klassischer Hotspots standen, könnten profitieren – sofern sie sich auf die veränderten Bedürfnisse der Reisenden einstellen. Gleichzeitig erfordert dies nachhaltige Konzepte, klare Strategien und Investitionen in Infrastruktur, Qualität und Kommunikation.

Gleichzeitig müssen sich Anbieter anpassen: mit zielgruppengerechten Angeboten, nachhaltiger Infrastruktur und einer neuen Form von Pauschalität, die Spontaneität, Sicherheit und Ethik miteinander verbindet.

Fazit: Der Urlaub bleibt – aber die Krisen verändern ihn. Weniger planbar, differenzierter, werteorientierter. Und das ist auch eine Chance: Für neue Destinationen, neue Tourismusstrategien – und vielleicht sogar für einen bewussteren Umgang mit der Welt, in der wir reisen.

Hier gibt es die Folge zum Hören.

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