Leben, Arbeiten, Lernen – in Übergängen
Warum das Ende der Drei-Phasen-Biografie erst der Anfang ist

Früher war alles klar:
Wir lernen, wir arbeiten, wir gehen in Rente.
Drei Lebensphasen, schön sortiert, mit Anfang und Ende.

Heute funktioniert das so nicht mehr.
Und das ist gut so.

In unserer aktuellen Podcast-Folge sprechen wir über das Ende der Drei-Phasen-Biografie und darüber, was es bedeutet, wenn wir Arbeit, Lernen und Leben neu denken müssen.

Wir leben in Übergängen

Wir können immer mehr Brüche in Lebensläufen beobachten: Menschen steigen aus Ausbildung, Beruf und Karriere aus, bekommen Kinder, machen ein Sabbatical und fangen neu an. 
Nicht, weil sie müssen, sondern weil das Leben sie dazu einlädt.

Diese neuen Biographien werden auch als Multi-Stage-Karrieren bezeichnet. Darunter versteht man mehrstufige Lebensläufe, in denen Lernen, Arbeiten und Neuanfang fließend ineinander übergehen.
Wie Anja sagt: „Wir leben längst nicht mehr in einer Biografie, sondern in Multigraphien.“

Und genau das verändert unsere Vorstellung von Karriere, von Bildung, von Rente fundamental.

“Wir leben längst nicht mehr in einer Biografie, sondern in Multigraphien.“

Anja Kirig

Zukunftsforscherin

Teilhabe statt Abschied

Wir beobachten, dass die Phase nach der Rente für viele längst kein klarer Schnitt mehr ist. Menschen möchten sich weiter einbringen  nicht aus Zwang, sondern aus Lust auf Teilhabe. Der Ruhestand wird zur neuen Gestaltungsphase, in der Erfahrung, Wissen und Neugier zusammenkommen.

Viele wollen gar nicht aufhören, sie wollen anders weitermachen.
Das erfordert aber auch ein Umdenken: Weg vom Entweder-oder zwischen Arbeit und Freizeit, hin zu Modellen, die Engagement, Ehrenamt, Lernen und Erwerbstätigkeit verbinden. Vielleicht ist das die eigentliche Zukunft der Arbeit, wenn sie nicht endet, sondern sich verwandelt.

Warum alte Modelle nicht mehr greifen

Nur unser System hängt noch am alten Denkrahmen.
BAföG, Rentenbescheide, Arbeitsverträge sind an linearen Lebensläufen ausgerichtet.
Aber was passiert mit denen, die nach der Elternzeit neu starten, ein Sabbatical machen oder mit 50 nochmal studieren wollen?

Catharina kann das aus eigener Erfahrung berichten:
„Ich musste mir meine Übergänge selbst bauen – Strukturen, die das unterstützen, gab es kaum.“

Viele leben längst anders, als unsere Systeme es vorsehen. Und noch mehr würden es machen, wenn die strukturellen Möglichkeiten dazu bestünden.

Was das für Arbeit bedeutet

Das ist ein Teil vom viel zitierten Phänomen “New Work”. Und zeigt, New Work ist mehr als Homeoffice oder KI (auch wenn das vieles erst ermöglicht). New Work bedeutet, Arbeit als Teil eines fluiden Lebens zu verstehen. Es gibt keine Karriereleiter mehr, sondern ein Netzwerk aus Karrieren und Lebensphasen.
Arbeiten, pausieren, neu beginnen – alles wird zu einem Geflecht der Biografie. Das verändert auch, wie wir Arbeit und Freizeit erleben. Es sind keine Gegensätze mehr.

Verantwortlich dafür sind Megatrends wie der Demografische Wandel, Digitalisierung und Individualisierung. Wir werden älter, leben länger (gesund) und Technologien ermöglichen es uns, dass wir länger an allem teilhaben können.

“Es ist zutiefts menschlich und nichts “Modernes”, sich immer wieder neu zu  erfinden. Wir haben es nur verlernt, weil unsere Systeme uns auf Sicherheit trainiert haben.”

Catharina Fischer

Consultant, KI- und Nachhaltigkeitsexpertin

Re-Invention als Haltung

Eine Studie der London Business School nennt das Re-Invention: die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Das ist mehr als eine Kompetenz, es ist eine Haltung. Aber wir haben es durch äußere Strukturen verlernt.

Dabei ist Adaptivität etwas urmenschliches. Schön zu sehen während der Corona-Pandemie als plötzlich viel Bewegung reinkam. Das zeigt: Wir können es.

Die Adaptivität, Flexibilität und das Denken in Möglichkeitsräumen sind Qualitäten, die Selbstwirksamkeit und Lebensqualität ermöglichen. Denn sie bedingen Kreativität und Innovation.

Dass jede Person ihr eigenes Tempo hat, ist selbstverständlich. Kein Zwang, sondern Möglichkeit! 

Unsere Prognose: Lebensphase statt Alter

Multi-Stage-Karrieren sind eigentlich Multi-Stage-Leben. Es impliziert, dass wir uns nicht den Strukturen anpassen müssen, sondern Leben, Ausbildung, Bildung, Arbeit, Kinder, Auszeit und Ruhestand so leben, wie es in unserem persönlichen Leben Sinn ergibt. 

Vielleicht ändert sich damit dann auch die Frage nach “Was machst Du beruflich” hin zu “Was machst Du gerade in Deinem Leben?”.

Dafür benötigt es nicht nur den äußeren Wandel, den wir gerade bereits überall beobachten können, sondern auch einen strukturellen Wandel auf institutioneller und organisatorischer Ebene. Nicht nur der Staat ist hier gefordert, sondern auch die Arbeitstrukturen und Organisationskulturen. 

Was ist Eure aktuelle Lebensphase? An welchem Teil Eures Multi-Stage-Lebens bastelt Ihr gerade? Erzählt es uns gerne!
🎧 Hier könnt Ihr die gesamte Folge hören. 
Wie immer freuen wir uns über Eure Kommentare, Eure Bewertung und Weiterempfehlung.